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Windturbinen Workshop Kuckucksmühle Teil 1

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Eine Dokumentation und Erfahrungsbericht zum Bau einer Kleinwindkraftanlage, bestehend aus ca. 80% Recyclingmaterialien

Bau-Wochenende einer Kleinwindkraftanlage an der Kuckucksmühle (Teil 1)

Acht menschen sitzen um den Tisch in der Küche der Kuckucksmühle. Es ist der 20.11.2021, ein Samstagvormittag um ca. 11 Uhr. Im Grunde ist es für uns alle ein Experiment - der Bau einer Kleinwindkraftanlage ohne dies vorher jemals gemacht zu haben. Ist das möglich an einem Wochenende? Haben wir auch wirklich alles Material was wir benötigen? und wie entwickelt sich die Gruppendynamik von uns acht - wir kennen uns zum Großteil noch gar nicht.

Im Folgenden ein kurzer Erfahrungsbericht und nützliche Links zum Selbstbau:

Wir starten mit einer Vorstellungsrunde. Die Gruppe hat sich teils über einen internen Newsletter Verteiler der Solarpunks Berlin, teils über Veranstaltungen in Berlin in denen das Bauwochenende angekündigt wurde, gefunden. Klar, ein Wissensaustausch über den Selbstbau einer Kleinwindkraftanlage stand im Vordergrund aber bereits in der Vorstellungsrunde war das Miteinander und auch die Offenheit für den Ort – die Kuckucksmühle, eine historische Wassermühle - und deren Bewohner:innen betont da. Die beruflichen Hintergründe der Gruppe reichen dabei von Software Entwicklung, Handwerk bis hin zur Elektrotechnik.

"Small is beautiful" - eine Kleinwindkraftanlage mit vertikaler Achse

Das Interesse an lokaler, kleinformatiger ("small scale") Energieerzeugung, welche ressourcenschonend also mit möglichst vielen Recycling Materialien gebaut werden kann, war ein Grundkonsens und auch Motivation an diesem Wochenende.

Lenz2 vertikale Windkraftanlage

Grundsätzlich ließe sich die Windkraftanlage für vieles einsetzen - als Pumpe oder Geräteantrieb mit einer rein mechanischen Übersetzung. Für diesen Bau haben wir uns bereits im Vorfeld für die Umwandlung der Windenergie ("kinetische Energie") in elektrische Energie entschieden. Mit der Anlage soll eine netzunabhängie ("off-grid") Stromversorgung an der Kuckucksmühle gebaut werden. Eine Leistung von 60 - 400 Watt, je nach Windgeschwindigkeit wird dabei angestrebt.

Die Bauart - vertikale Achse nach dem "Lenz2 Design"

Das Rotordesign von Dr. Ed Lenz "Lenz2 Design" ist inspiriert von dem Savonius und Darrieus Design - welche wohl als eine Art Basisdesign für Vertikalachsen-Windkraftanlagen bezeichnet werden können. Studien und Simulationen zu dem Windverhalten der Lenz2 Turbine haben gezeigt, dass dieses Design die Vorteile von Savonius und Darrieus Design vereint bzw. einige Nachteile ausmerzt. So gilt das Design vorteilhaft für einen leichten Selbstart der Turbine (auch bei geringen Windgeschwindigkeiten) wie auch fähig höhere Windgeschwindigkeiten umzusetzen ("Model tests of wind turbine with a vertical axis of rotation type Lenz 2", Zwierzchowski et al). Als eine der Hauptschwächen dieses Designs wird diskutiert, dass die Kräfte in horizontaler Richtung auf die Schaufeln wirken, was recht schnell zu Ermüdung und Ausfällen der Schaufeln führen kann - die empirische Datengrundlage bezüglich dieser Aussage ist jedoch noch recht schwach, da es nicht viele langfristige, empirische Messungen gibt.

Dies ist auch einer der Gründe, warum wir dieses Projekt in Zukunft auch gern mit ein wenig Messtechnik ausstatten und es als kleine "Forschungsstation" betrachten wollen.

Innerhalb des Lenz2 Designs nehmen wir uns vor insgesamt 3 oder 6 Schaufeln (einseitig) zu fertigen, jenachdem wie es die Zeit zulässt.

Das Gestell soll als Vierbeiner aus Holzlatten gefertigt werden

Organisation des Wochenendes

Wir haben zwei Tage für den Bau. Die gemeinsame Planung sieht vor, dass wir am Samstag nach dem Mittagessen starten und uns in zwei Gruppen aufteilen: Gruppe 1 arbeitet sich in den Bau der Rotoren/Schaufeln der Turbine ein und baut diese. Gruppe 2 arbeitet am Gestell und an der Anbringung des Generators.

Am Sonntag, dem zweiten Tag planen wir den Zusammenbau des Gestells mit Turbine und die elektrische Inbetriebnahme, inklusive der Ladesteuerung für eine Bleibatterie.

Die Materialsichtung

Wie eingangs erwähnt, wurde vor dem Bauwochenende Material auf Recyclinghöfen und auf der Straße gesammelt. Hier ein paar Hinweise für die Hauptkomponenten.

Das Gestell:

Für die Bauart (vierbeiniges Gestellsegment ca. 2,3m Höhe) werden insgesamt 30 x 2m Holzlatten benötigt. Jegliche Holzlatte (ca. 24x48mm) ist ok dafür. Ein offenes Auge mit genügend Vorlaufzeit entdeckt bestimmt irgendwo Fundorte wie Abrisshäuser o.ä.. Verschraubt wird das Ganze mit Spax Schrauben.

Die Rotorschaufeln (einseitig, 6 Schaufeln):

Der Rotor besteht im Hauptsächlichen aus 2 Grundmaterialien - eine 26 Zoll Fahrradfelge, die z.B. bei Fahrradreperaturläden als Gebrauchtware umsonst oder günstig zu bekommen ist und Aluplatten für die Schaufeln. Die Aluplatten sind bei Offset Druckereien anzufragen - diese Druckplatten haben eine ung. Dicke von 0,3mm und sind gut mit dem Cuttermesser zu schneiden. Es ist grundsätzlich empfehlenswert eine Sammlung von alten Maschinenschrauben in unterschiedlichen Größen anzulegen, diese können immer gut an unterschiedlichen Stellen des Baus verwendet werden. Je nachdem wieviele Schaufeln gebaut werden sollen, empfiehlt sich vorher eine effiziente Planung der Alumaterialien. Die von uns an diesem Wochenende verwendeten Aluplatten hatten die Abmaße von ung. 100 x 120cm. Aus knapp zwei Platten bekamen wir eine Schaufel gefertigt. Das heißt für eine Turbine mit sechs Schaufeln solltet ihr mit 12 Platten rechnen. Für eine genauere Planung, siehe die Abbildung weiter unten im Bauteil des Artikels.

Materialliste für 6 Schaufeln

  • 26 Zoll Fahrradfelge
  • 12 Aluminiumplatten (100 x 120cm)
  • Blindnieten, 4mm für eine Materialdicke von ca 3mm (300 Stück)
  • Alu Beilagscheiben mit Durchmesser Innenloch 4,2mm
  • 18 x M4 Schrauben, 12 - 20mm Länge
  • 18 x M4 Sicherungsmuttern

Der Generator:

Als Generator dient ein alter Waschmaschinenmotor. Dieser wurde auf einem Elektro Schrottplatz abgeholt - darauf achten, dass es am besten ein bürstenloser DC Motor ist. Es gibt eine Anzahl anderer Motoren, die für den Zweck eines Generators modifiziert werden können - eine Übersicht ist hier unter folgendem google docs Dokument einsehbar: (Link zur Übersicht).

Anbringung Rotor - Gestell/Halterung:

  • Flachstahl 1m (30x5)
  • 2x passende Muttern zur Achse Fahrradfelge

Keilriemen/Antrieb:

  • Rundriemen (3,10m Länge); ungetestet

Halterung Motor + Rotor:

  • 6m U-Profil Stahl
  • Maschinenschrauben

Der Bau

Bau der Rotorschaufeln

Die Rotorschaufeln werden aus den Aluminiumplatten geschnitten, gebogen und letztlich zusammengenietet. Sie werden dann an die Felge geschraubt und übertragen somit die Windkraft als Drehung des Rads. Für eine Rotorschaufel sind insgesamt 5 unterschiedliche Formen der Aluplatten zu schneiden und in Form zu bringen. Die Grundrisse dieser 5 Platten sind folgende:

Grundrisse Aluplatten

Abhängig von der Größe der Aluplatten ist ein vorheriges Planen der Schnitte nötig

Vor dem Schneiden der Platten ist nun zu überlegen in welcher Kombination der einzelnen Schnitte die Aluplatten am effizientesten genutzt werden können. Ein vorheriges Aufzeichnen mit dem Bleistift auf die Aluplatten ist gut. Für den Bau selbst ist das tutorial (englisch) auf opensourcelowtech zu empfehlen.

Bau des Gestells

Hier stand die Entscheidung zwischen einem dreibeinigen vs. einem vierbeinigen Gestell im Raum. Obwohl ein dreibeiniges Gestell statisch gesehen die bessere Entscheidung ist, haben wir uns für ein vierbeiniges Gestell entschieden. Die Gründe waren hier eine bessere Erweiterungsmöglichkeit in die Höhe mit in Zukunft ggf. weiteren Segmenten, sowie mehr Auflagefläche für die Motorbefestigung.

Bau der Motor- und Achsenbefestigung

Die Übertragung von der Drehbewegung der Felge wird über einen Rundriemen auf die Welle des Motors gemacht. Dafür muss der Motor seitlich der Rotorschaufeln mit dem Riemen gespannt werden. Ein fixer und stabiler Unterbau ist daher notwendig. Wir haben uns daher entschieden, dieses Gestell mit einem Stahl U-Profil zu schweißen und die Motorhalterung mit Maschinenschrauben vorzubereiten.

Warum „Teil 1“ in der Überschrift?

Die zwei Tage zur Fertigstellung waren zu optimistisch geplant. Wir haben an diesem Wochenende den Bauteil größtenteils abschließen können aber als es dann darum ging die einzelnen Teile zusammenzubringen und am Standort aufzustellen war es bereits Sonntagabend. Wir planen ein weiteres Wochenende an der Kuckucksmühle, Anfang 2022 um die Arbeiten abzuschließen und die Turbine auch elektrisch inbetriebzunehmen. Es war ein intensives, schönes Wochenende in jeglicher Hinsicht, vom Bauen in der Gruppe bis zu den Diskussionen und Themen am Abendtisch. In Vorfreude auf die Fortsetzung im neuen Jahr und mit Glück auf Wind auch auf den ersten Glühbirnentest.

Baugruppe Windturbine

Move quietly and plant things – Solarpunks Berlin